Irgendwie ist es schon komisch, dass man immer nur von Erfolgsstories hört, oder? Der Weg zum Master in Regelstudienzeit, Praktikum hier, Abschlussarbeit da, Notenschnitt passt, Job nach dem Studium ist auch schon eingesackt. Aber entspricht das der Wirklichkeit? Sind die Lebensläufe und Bildungswege wirklich alle so geradlinig, wie sie scheinen?
Was passiert denn, wenn man durch eine Prüfung fällt, eine Deadline verpasst, oder sich von einem Kurs wieder abmeldet, wenn er einem zu viel wird? Können wir aus einem solchen “Scheitern” nicht trotzdem etwas lernen?
Viele Fragen, das wissen wir. Zum Glück haben sich schon ziemlich viele Psycholog*innen damit auseinandergesetzt, was man aus einem Misserfolg mitnehmen kann. Wir wollen hier keine Werbung für “Silicon Valley Startup Fail Your Way Upward Turbokapitalismus”-Bullshit vertreiben – aber zumindest sollten wir uns damit beschäftigen, wenn es mal daneben geht.
Bühne frei für weise Interventionen!
Weise Studieren – was ist das?
Immer häufiger begegnet uns in der sozialpsychologischen Literatur der Begriff „Wise Interventions“ – zu deutsch „weise Interventionen“. Unter diesem Begriff fassen die Psychologen Walton und Wilson verschiedene Interventionen zusammen, die zur eigenen Reflexion und Auseinandersetzung mit einer psychologischen Problemstellung anregen sollen.
Was bedeutet das konkret?
An vielen Universitäten wird beobachtet, dass Studierende ohne akademischen Familienhintergrund, mit Migrationshintergrund oder aus ethnischen Minderheiten mit höherer Wahrscheinlichkeit das Studium abbrechen, obwohl sie nicht schlechter studieren als ihre Mitstudierenden. Die Frage, woran dies liegen kann, kann auf verschiedenen Ebenen untersucht werden. Neben Faktoren wie dem Studienkontext, Arbeitslast etc. können auch in den Personen liegende, psychologische Problemstellungen ein Teil der Ursache sein. Walton und Wilson gehen von drei Kategorien solcher psychologischen Problemstellungen aus:
1. Das Bedürfnis, zu verstehen
2. Das Bedürfnis nach Selbst-Integrität
3. Das Bedürfnis, dazuzugehören
Den drei Kategorien ist eines gemeinsam: zugrunde liegen Bedeutungszuschreibungen („Meaning“), die bestimmen, wie eine Person ihre Umwelt und sich selbst wahrnimmt, interpretiert und bewertet. Solche Zuschreibungen können zeitlich stabil sein, sie können aber auch verändert werden. Gerade wenn solche Zuschreibungen negativ sind („Ich gehöre einfach nicht hier her“), können sie fatale Auswirkungen auf Wohlbefinden, Motivation und psychische Gesundheit haben. Veränderungen in der Wahrnehmung und Zuschreibung hingegen können nachhaltige positive Effekte mit sich bringen.
Was sind nun weise Interventionen im Studium?
Als weise Interventionen können also alle Maßnahmen bezeichnet werden, die darauf abzielen, ungünstige Selbstzuschreibungen aufzubrechen. Um ein paar Beispiele unter den zig veröffentlichten Studien aufzuzählen:
Studierende aus ethnischen Minderheiten fühlen sich mehr an der Universität willkommen und zugehörig, nachdem sie Berichte von anderen Studierenden aus Minderheiten lesen, die über ihre Hürden und Probleme schreiben. Somit fühlen sich Studierende weniger alleine, sie merken, dass ihre Probleme nicht nur bei ihnen liegen, sondern, dass Personen ihre Sorgen und Probleme teilen (Murphy et al., 2020; Marksteiner et al., 2019).
Studierende sahen eine Videobotschaft, die darüber berichtet, dass sich viele Studierende anfangs fehl am Platz fühlen, Sorgen haben, und dass diese Probleme vorübergehen. Nach einer anschließenden Gruppendiskussion zeigten die Studienanfänger:innen mehr Bindung an die Universität und bedeutsam besseren Studienerfolg (Silver Wolf et al., 2017).
Was heißt das für PLUSTRACK?
Im Rahmen unseres Projekts wollen wir euch in Erinnerung rufen, dass Uni kein schnurgerader Highway sein muss, der euch zum Studienabschluss führt. Es gibt Kurven, Umwege, Pannen und Tankstopps. Misserfolg liegt oft in der Situation geschuldet und nicht in euch, und wir alle haben uns schon fehl am Platz gefühlt. Wie wir mit solchen Gedanken umgehen, bestimmt unsere nächsten Schritte – und es ist wichtig, diese Schritte überlegt zu gehen und nicht in Panik oder Hast.
Damit der PLUSTRACK immer weiter geht, und zwar gemeinsam.