Der Weg zu einem Universitätsabschluss ist holprig – für alle Studierenden. Auf Höhen, in denen Prüfungen und Hausarbeiten wie am Schnürchen laufen, folgen manchmal Zeiten, in welchen scheinbar wenig funktioniert. Die Themen in den Lehrveranstaltungen sind nicht ganz so spannend, den Stoff kann man sich unter keinen Umständen merken und durch die Online-Lehre kennt man auch nicht so viele Kommiliton*innen, die einen jetzt unterstützen könnten.
Doch für manche Studierenden sind diese Situationen besonders herausfordernd, vor allem in Zeiten der COVID-19 Pandemie. In unserer aktuellen Forschung haben wir uns einer dieser Gruppe von Studierenden angenommen.
Herausforderungen der Pandemie
First-Generation Studierende (FGS) sind Studentinnen und Studenten, deren Eltern keinen tertiären Bildungsabschluss erworben haben. In der Literatur werden FGS als eine Gruppe von Studierenden porträtiert, die im Studium häufiger mit Problemen konfrontiert sind als ihre Kolleg*innen, die einen akademischen elterlichen Hintergrund aufweisen. Besonders auffällig ist hier die Zugehörigkeit zur Universität. Wohingegen „Akademikerkinder“ sich oftmals sofort als Teil der Universität wahrnehmen, stellt dies eine Herausforderung für FGS dar, sodass sie sich zum Teil nicht am richtigen Platz fühlen. Umso wichtiger ist es für diese Gruppe von Studierenden, viel Austausch mit Lehrenden zu haben und Kontakt zu anderen Studentinnen und Studenten zu pflegen. Mit der Corona-Pandemie wurde dies aber deutlich schwieriger. Durch die Schließungen der Universitäten und die Umstellung auf Online-Lehre wurde es immer umständlicher in Interaktion mit anderen zu treten. Natürlich hat die Corona-Pandemie nicht nur den Kontakt massiv erschwert, sondern vor allem während der ersten Welle im Sommersemester viel Unsicherheit ausgelöst, wann und wie das Semester fortgesetzt und auch abgeschlossen werden kann. Viele nahmen somit die Pandemie als bedrohlich für ihren Studienfortschritt wahr.
Was haben wir untersucht?
Julius Möller
erzählt uns, wie die Forschung zu Studienerfolg und FirstGen-Students funktioniert und warum sie so wichtig ist.
Wir haben uns damit beschäftigt, welche Strategien Studierenden anwenden, um mit dieser Bedrohung des Studienfortschritts durch die Coronapandemie umzugehen. Besonderes Augenmerk haben wir daraufgelegt, ob Studierenden mit und ohne elterlichen akademischen Hintergrund hier entscheidende Unterschiede aufweisen.
Wir haben im Rahmen der Studie 848 Studierende in ganz Österreich befragt. Hierbei wurde die Rolle von drei verschiedenen Strategien, um mit der Bedrohung durch die Pandemie umzugehen, beleuchtet. Als erstes wurde angenommen, dass es Studierenden helfen kann, wenn sie die Universität als ein faires System wahrnehmen. Zudem gehen wir davon aus, dass auch eine ausgeprägte Identität als Studierenden, sprich sich als Studentinnen oder Student selbst wahrnehmen, eine hilfreiche Strategie abbildet. Als letztes haben wir die soziale Zugehörigkeit als Mechanismus, um die Bedrohung zu bewältigen, beleuchtet. Eine hohe soziale Zugehörigkeit bedeutet hier, dass im Studium Kontakte geknüpft und Freundschaften geschlossen werden.
Wir haben anschließend betrachtet, inwieweit diese drei Strategien mit dem Wohlbefinden und Umgang mit der Pandemie im Studium der Studierenden zusammenhängen. Hierbei haben wir die berichtete Hilflosigkeit der Studierenden, maladaptiven Umgang mit Scheitern, sowie die Wahrnehmung der digitalen Lehre als Herausforderung oder Bedrohung erfasst.
Mit Hilfe von Strukturgleichungsmodellen konnten wir nun die Zusammenhänge zwischen Bedrohungserleben durch die Pandemie, Strategien zum Umgang damit und schließlich den psychologischen Variablen der Studierenden modellieren. Besonders spannend ist es hier die unterschiedlichen Zusammenhänge in den Modellen für FGS und Studierenden mit elterlichem akademischem Hintergrund zu betrachten.
Unterschiedliche Wege führen zum Ziel
In einem ersten Schritt konnten wir zeigen, dass die Wahrnehmung der Universität als gerechtetes System dazu führt, dass Studierenden sich weniger hilflos fühlten und weniger maladaptive Mechanismen im Umgang mit Scheitern zeigten. Zudem nahmen Studierende die digitale Lernsituation eher als Challenge wahr.
Entscheidend war aber der Vergleich von FGS und Studierenden aus akademischen Haushalten. Für Studierenden mit Eltern, die einen akademischen Bildungshintergrund aufweisen, spielte ausschließlich die Wahrnehmung des universitären Systems als gerecht eine entscheidende Rolle. Je mehr sie das etablierte System verteidigten, desto adaptiver und positiver nahmen sie die Lernsituation und sich selbst wahr.
First-Generation Studierende griffen im Gegensatz dazu auf eine Vielzahl von Strategien zurück, um mit der Bedrohung umzugehen. Auch sie profitierten davon, wenn sie das universitäre System als gerecht wahrnahmen. Zusätzlich war es für sie aber auch besonders hilfreich, wenn sie sie eine hohe akademische Identität aufwiesen und viele konkrete Freundschaften und Kontakte im Studium hatten.
Was können Lehrende also tun, um FirstGen-Students besser zu unterstützen?
Wir konnten in unserer Studie somit feststellen, dass sich Studierende mit und ohne elterlichen Hintergrund in ihren Strategien, die sie verwendeten, um mit der Bedrohung der Pandemie auf den Studienfortschritt umzugehen, unterschieden. Auch für unserer Projekt lassen sich hier konkrete Schlüsse ziehen. Wir konnten zeigen, dass besonders FGS, welche verstärkt mit Herausforderungen im Studium konfrontiert sind, davon profitieren, wenn sie ein gutes soziales Netzwerk im Studium haben und Freundschaften schließen können. Auf diese können sie sich dann bei genau diesen Herausforderungen stützen und diese somit hoffentlich besser meistern. Mit unseren Programmen können wir genau hier ansetzen. Studierende können sich beispielsweise beim Mentoring gut vernetzen und diese Freundschaften später als Ressource nutzen. Oder auch bei unseren Trainings bleiben einige Teilnehmende auch nach Ende des Programms in Kontakt und bilden beispielsweise Lerngruppen.
Als Lehrende können Sie mit ein paar kleinen Hilfestellungen ganz einfach unterstützen:
Machen Sie gerne zu Beginn ihrer Lehrveranstaltung Werbung für unser Mentoring-Programm. Dies richtet sich an alle Erstsemester an der ganzen Universität. Alle wichtigen Infos finden Sie hier
Zusammenarbeiten fördern, indem Sie in ihr Lehrkonzept auch mal die ein oder andere Gruppenarbeit einfließen lassen. Oder vielleicht können sich Studierenden in kleinen Gruppen für wenige Minuten zu einer Fragestellung beraten, bevor sie im Plenum diskutiert wird
Auch die Online-Lehre lässt sich interaktiv gestalten. Öffnen Sie Ihren Webex-Raum doch schon 10 Minuten früher oder lassen Sie den Raum noch eine Viertelstunde länger offen. So kann man ohne Mehraufwand eine niederschwellige Möglichkeit zum Austausch unter den Studierenden anbieten